Ratgeber

Innovation Lab: Der permanente Workshop-Modus

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Innovation Lab: Der permanente Workshop-Modus
Innovation Lab einrichten: Kosten, Vorteile und typische Fehler. Warum manche Unternehmen feste Innovationsräume brauchen – und was das für die Kreativkultur bedeutet.

Ein Innovation Lab ist ein dedizierter Raum oder Bereich, der dauerhaft für kreative und experimentelle Arbeit ausgestattet ist. Anders als einmalige Workshops bietet ein Lab kontinuierliche Infrastruktur für Ideenfindung, Prototyping und Innovation. Der Vorteil: Teams können jederzeit in den Kreativmodus wechseln, ohne erst Räume buchen und Material beschaffen zu müssen. Der Nachteil: Ohne klare Strategie werden Labs schnell zu teuren Showrooms ohne Wirkung.

Fast jedes große Unternehmen hat mittlerweile ein Innovation Lab – oder zumindest einen "Creative Space". Die Statistik ist ernüchternd: Laut einer Studie von Capgemini scheitern bis zu 90% der Corporate Innovation Labs daran, ihre Versprechen zu erfüllen. Der Grund ist selten die Ausstattung. Es sind fehlende Strategie, mangelnde Anbindung ans Kerngeschäft und unrealistische Erwartungen.

Als ich 2023 ein mittelständisches Maschinenbauunternehmen bei der Einrichtung eines Innovation Labs beriet, fragte der Geschäftsführer: "Was ist der ROI eines Kreativraums?" Meine ehrliche Antwort: "Das hängt davon ab, was Sie damit erreichen wollen." Ohne klares Ziel ist ein Lab eine Kostenstelle. Mit der richtigen Strategie wird es zum Innovationsmotor.

Was ist ein Innovation Lab – und was nicht?

Ein Innovation Lab ist eine physische (oder virtuelle) Infrastruktur, die die Entwicklung neuer Ideen, Produkte oder Geschäftsmodelle systematisch unterstützt. Es unterscheidet sich von normalen Besprechungsräumen durch seine Ausstattung, seine Nutzungsregeln und seine kulturelle Funktion im Unternehmen.

Innovation Labs tragen viele Namen: Creative Space, Kreativraum, Ideenlabor, Maker Space. Sie alle eint der Anspruch, eine Umgebung zu schaffen, die Kreativität fördert und konventionelles Denken durchbricht.

MerkmalNormaler BesprechungsraumInnovation Lab
MöblierungFester Tisch, StühleFlexible, mobile Elemente
WändeBilder, KalenderWhiteboards, beschreibbar
MaterialStifte, FlipchartPrototyping-Material, Post-its, Marker
NutzungMeetings, PräsentationenWorkshops, Experimente, Co-Creation
AtmosphäreFormell, strukturiertInformell, experimentell
BuchungKalendersystemOft offen zugänglich

Das Fraunhofer IESE betreibt in Kaiserslautern einen "Innovation Space" mit 60 Quadratmetern Whiteboard-Fläche, flexiblen Möbeln und Rückzugsbereichen. Die Botschaft: "Hier darf man anders denken." Genau diese symbolische Funktion ist oft wichtiger als die konkrete Ausstattung.

Warum Unternehmen Innovation Labs einrichten

Unternehmen investieren in Innovation Labs aus verschiedenen Gründen: um Kreativität zu fördern, die Innovationskultur zu verändern, Design Thinking zu ermöglichen oder Startup-Mentalität ins Unternehmen zu holen. Die Motive sind unterschiedlich – und sollten vor der Einrichtung klar definiert werden.

Eine Studie der Ruhr-Universität Bochum hat die häufigsten Erwartungen an Kreativräume erhoben:

RangErwartungHäufigkeit
1Kreativität und Ideenfindung fördernSehr häufig
2Innovationskultur sichtbar machenHäufig
3Interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglichenHäufig
4Workshops und Training durchführenHäufig
5Silodenken aufbrechenMittel
6Externe Partner einbindenMittel
7Employer Branding verbessernMittel

Die drei Lab-Typen

Es gibt grundsätzlich drei Arten von Innovation Labs:

1. Interne Innovationswerkstatt Eigene Mitarbeiter arbeiten an Innovationsprojekten, oft in Teilzeit neben dem Tagesgeschäft. Der Raum steht für Workshops, Design Sprints und Prototyping bereit.

2. Corporate Inkubator/Accelerator Das Unternehmen unterstützt externe Startups mit Kapital, Know-how und Infrastruktur – in der Hoffnung, von deren Ideen zu profitieren (Open Innovation).

3. Kombination aus beidem Interne Teams und externe Partner arbeiten im selben Lab, teilen Wissen und inspirieren sich gegenseitig.

Für die meisten mittelständischen Unternehmen ist die erste Variante – die interne Innovationswerkstatt – der pragmatischste Einstieg.

Die richtige Ausstattung: Was ein Lab braucht

Ein Innovation Lab braucht flexible Möbel, beschreibbare Oberflächen, Prototyping-Material und eine Atmosphäre, die sich vom normalen Büro unterscheidet. Die genaue Ausstattung hängt vom Innovationsfokus ab – ein Software-Lab sieht anders aus als ein Hardware-Lab.

Grundausstattung für jedes Innovation Lab

KategorieAusstattungFunktion
MöbelMobile Tische auf RollenFlexible Raumkonfiguration
Höhenverstellbare StehtischeWechsel zwischen Sitzen und Stehen
Lounge-Bereich mit SofasInformelle Gespräche, Pause
VisualisierungWhiteboard-Wände (mind. 10 qm)Ideen visualisieren
Große Post-it-WändeClustering, Voting
Beamer/ScreensPräsentationen, Demos
MaterialPost-its (verschiedene Größen/Farben)Ideensammlung
Marker (dick + dünn)Skizzen
Papier (A4, A3, Flipchart)Prototyping
BastelmaterialPhysische Prototypen
TechnikStabiles WLANRecherche, Collaboration
Steckdosen (viele!)Laptops, Prototypen
Gute AkustikKonzentration
ExtrasPflanzenAtmosphäre, Luftqualität
Inspirierende DekorationKreativität anregen
Kaffee/SnacksEnergie

Drei Stufen der Raumqualität

Die NEU Innovation GmbH unterscheidet drei Stufen der Raumqualität für Kreativarbeit:

Stufe 1 – Grundfunktion: Licht, Heizung, Tisch, Stuhl. Kein Mehrwert für Innovation.

Stufe 2 – Funktionale Vorteile: Flexible Möbel, gute Akustik, beschreibbare Wände. Verbessert Arbeitsergebnisse messbar.

Stufe 3 – Kulturelle Wirkung: Der Raum beeinflusst Identifikation, Kreativität und Zusammenarbeit. Erst auf dieser Stufe entfalten Labs ihr volles Potenzial.

Die meisten Unternehmen investieren in Stufe 2 und erwarten Ergebnisse von Stufe 3. Das funktioniert nicht. Ein Innovation Lab muss in die Unternehmenskultur eingebettet sein, sonst bleibt es ein hübsch eingerichteter Raum ohne Wirkung.

Kosten: Was ein Innovation Lab kostet

Die Einrichtungskosten für ein Innovation Lab liegen zwischen 5.000 und 100.000 Euro, je nach Größe und Ausstattung. Dazu kommen laufende Kosten für Material, Miete und Personal. Der größte Kostenfaktor ist oft nicht die Ausstattung, sondern die Arbeitszeit der Mitarbeiter, die im Lab arbeiten.

Einrichtungskosten nach Lab-Größe

Lab-GrößeFlächeEinrichtungskostenTypische Nutzung
Mini-Lab20-30 qm5.000-15.000 €Workshops für 6-8 Personen
Standard-Lab50-80 qm20.000-50.000 €Workshops + Prototyping
Premium-Lab100-200 qm50.000-100.000 €Mehrere Zonen, umfassend
Campus-Lab300+ qm100.000+ €Inkubator, externe Partner

Laufende Kosten

PositionMonatliche Kosten
Material (Post-its, Marker, etc.)200-500 €
Raummiete (falls extern)500-3.000 €
Reinigung, Wartung100-300 €
Personal (Lab Manager, anteilig)1.000-3.000 €
Events, Catering500-2.000 €
Summe2.300-8.800 €

Die größte "versteckte" Kostenposition: die Arbeitszeit der Mitarbeiter. Wenn fünf Personen einen Tag pro Woche im Lab verbringen, kostet das bei einem Arbeitgebervollkosten von 600 Euro pro Tag rund 12.000 Euro pro Monat. Diese Investition rechnet sich nur, wenn die Lab-Arbeit zu besseren Produkten, Prozessen oder Geschäftsmodellen führt.

Warum Innovation Labs scheitern – und wie Sie es verhindern

Die häufigsten Gründe für das Scheitern von Innovation Labs sind: fehlende Strategie, mangelnde Anbindung ans Kerngeschäft, unrealistische Erwartungen und keine klaren Erfolgsmetriken. Ein Lab ohne Verbindung zur Unternehmensstrategie wird zum "Innovationstheater" – hübsch anzusehen, aber wirkungslos.

Fehler 1: Keine klare Strategie

"Wir machen jetzt Innovation" ist keine Strategie. Bevor Sie ein Lab einrichten, beantworten Sie diese Fragen:

  • Welches Problem soll das Lab lösen?
  • Welche Art von Innovation brauchen wir (inkrementell, disruptiv, neu für uns)?
  • Wie passt das Lab zur Unternehmensstrategie?
  • Wer soll im Lab arbeiten und wie viel Zeit investieren?
  • Wie messen wir Erfolg?

Fehler 2: Isolation vom Kerngeschäft

Labs, die geografisch oder organisatorisch vom Kerngeschäft getrennt sind, entwickeln oft Lösungen, die niemand im Unternehmen will oder umsetzen kann. Die besten Labs haben eine klare Verbindung zur Geschäftsleitung und regelmäßigen Austausch mit den operativen Einheiten.

Fehler 3: Fehlende Umsetzungskraft

Ideen im Lab zu generieren ist der einfache Teil. Der schwierige Teil: Ideen durch die Organisation zu bringen und umzusetzen. Ohne Budget, Entscheidungsbefugnisse und Umsetzungsprozesse bleiben Lab-Ergebnisse auf dem Whiteboard stehen.

Fehler 4: Keine Metriken

"Das Lab fühlt sich gut an" reicht nicht. Definieren Sie messbare Ziele:

  • Anzahl durchgeführter Workshops
  • Anzahl getesteter Ideen
  • Anzahl umgesetzter Ideen
  • Umsatz/Kosteneinsparung durch Lab-Projekte
  • Mitarbeiterzufriedenheit mit Innovationskultur

Fehler 5: Falsches Personal

Ein Lab braucht einen "Lab Manager" – eine Person, die den Raum belebt, Workshops moderiert, Material bereitstellt und die Verbindung zum Rest der Organisation hält. Ohne diese Rolle verwaisen Labs nach der anfänglichen Begeisterung.

Best Practices: So machen Sie es richtig

Erfolgreiche Innovation Labs kombinieren die richtige Infrastruktur mit klarer Strategie, Management-Unterstützung und einer Kultur der Experimentierfreude. Der Raum ist das Mittel, nicht der Zweck.

1. Klein starten, dann skalieren

Beginnen Sie mit einem Pilotprojekt: ein Raum, ein Team, ein klar definiertes Innovationsthema. Sammeln Sie Erfahrungen, bevor Sie in große Infrastruktur investieren.

2. Management einbinden

Wenn die Geschäftsleitung das Lab nie besucht, signalisiert das: "Innovation ist nice-to-have, nicht wichtig." Umgekehrt: Wenn der CEO regelmäßig an Lab-Sessions teilnimmt, steigt die Bedeutung automatisch.

3. Nutzung fördern

Ein Lab, das nur für offizielle Workshops genutzt wird, verschenkt Potenzial. Ermöglichen Sie spontane Nutzung: für informelle Meetings, Einzelarbeit, After-Work-Sessions. Je häufiger Menschen den Raum nutzen, desto mehr wird er zur gelebten Kultur.

4. Dokumentieren und teilen

Machen Sie Lab-Ergebnisse sichtbar. Fotografieren Sie Whiteboards, publizieren Sie Ergebnisse im Intranet, laden Sie Kollegen zu Demo-Sessions ein. Innovation muss kommuniziert werden, um Wirkung zu entfalten.

5. Externe einladen

Laden Sie Kunden, Partner, Startups oder Studierende ins Lab ein. Der frische Blick von außen verhindert Betriebsblindheit und bringt neue Perspektiven.

Innovation Lab vs. alternatives Modelle

Ein eigenes Lab ist nicht für jedes Unternehmen die richtige Lösung. Alternativen sind externe Kreativräume, projektbezogene Pop-up-Labs oder die Integration von Kreativzonen ins normale Büro ("Activity Based Working").

ModellVorteileNachteileGeeignet für
Eigenes LabImmer verfügbar, anpassbarHohe Fixkosten, Risiko der VerwahrlosungUnternehmen mit regelmäßigem Innovationsbedarf
Externes Lab (Miete)Flexibel, professionelle AusstattungKeine Personalisierung, AnfahrtSporadische Nutzung, Tests
Pop-up-LabProjektbezogen, niedrige KostenTemporär, kein KulturwandelEinzel-Projekte
Activity Based WorkingIntegriert, keine Extra-KostenWeniger "besonderer" RaumModern eingerichtete Büros

Der Trend geht zu "Activity Based Working" – Büros mit verschiedenen Zonen für unterschiedliche Arbeitsarten: Ruhezonen für Konzentration, offene Bereiche für Austausch, Kreativzonen für Workshops. In diesem Modell ist das Innovation Lab keine separate Einheit, sondern Teil der normalen Arbeitsumgebung.

Fazit: Raum allein reicht nicht

Ein Innovation Lab kann ein mächtiges Werkzeug für Kreativität und Kulturwandel sein – wenn es richtig eingesetzt wird. Der Raum allein ändert nichts. Entscheidend sind Strategie, Nutzung, Management-Unterstützung und die Fähigkeit, Ideen aus dem Lab in die Umsetzung zu bringen.

Bevor Sie in einen Kreativraum investieren, fragen Sie sich: Haben wir eine Innovationsstrategie? Haben wir Menschen, die im Lab arbeiten werden? Haben wir Prozesse, um Lab-Ergebnisse umzusetzen? Wenn Sie alle drei Fragen mit Ja beantworten können, ist ein Innovation Lab eine lohnende Investition. Wenn nicht, beginnen Sie dort – nicht bei der Möbelauswahl.


Wie groß sollte ein Innovation Lab sein?

Für Workshops mit 8-12 Personen benötigen Sie mindestens 40-50 Quadratmeter. Planen Sie zusätzlichen Platz für Prototyping-Bereiche, Rückzugszonen und Materialager. Ein funktionales Standard-Lab hat 60-80 Quadratmeter.

Wer sollte das Lab betreiben?

Idealerweise ein dedizierter "Lab Manager" – mindestens in Teilzeit. Diese Person kümmert sich um Material, organisiert Workshops, pflegt die Ausstattung und ist Ansprechpartner für alle, die das Lab nutzen wollen.

Sollte das Lab für alle Mitarbeiter offen sein?

Ja, möglichst. Je mehr Menschen den Raum nutzen, desto stärker verankert er sich in der Kultur. Offene Nutzung fördert spontane Kreativität und senkt Hemmschwellen.

Wie messe ich den Erfolg eines Innovation Labs?

Quantitativ: Anzahl Workshops, Nutzungsfrequenz, Anzahl generierter/umgesetzter Ideen. Qualitativ: Mitarbeiterbefragungen zur Innovationskultur, Feedback von Workshopteilnehmern, Wahrnehmung bei Bewerbern (Employer Branding).

Macht ein virtuelles Innovation Lab Sinn?

Als Ergänzung ja – Tools wie Miro, Mural oder MURAL bieten virtuelle Kollaborationsräume für verteilte Teams. Als Ersatz für physische Räume nur bedingt: Bestimmte kreative Prozesse funktionieren vor Ort deutlich besser.


Quellen:

  • Ruhr-Universität Bochum / NEU Innovation: Studie zum Nutzen von Innovation Spaces (2019)
  • Capgemini: Corporate Innovation Labs Studie
  • Fraunhofer IESE: Innovation Space Kaiserslautern
  • FLYACTS: Warum Innovation Labs scheitern (2023)
  • ITONICS: 4 Dinge, die den Erfolg von Corporate Innovation Labs verhindern
  • RKW Kompetenzzentrum: Was sind Innovation Labs?
Artikel erstellt: Dezember 2025