Lego Serious Play: Mit Bausteinen denken – Methode, Ablauf & Einsatzgebiete

Die Methode wurde ursprünglich von Lego in Zusammenarbeit mit der IMD Business School entwickelt und ist heute weltweit im Einsatz. Unternehmen wie Google, NASA und Unilever nutzen LSP für strategische Workshops. Studien zeigen: LSP-Workshops generieren 30% mehr Ideen und erreichen 100% Teilnehmeraktivierung – in klassischen Meetings liegt der Redeanteil oft bei 20% der Teilnehmer.
Wie Lego Serious Play funktioniert
Lego Serious Play basiert auf dem Prinzip „Hand-Mind Connection" – die Hände wissen Dinge, die der bewusste Verstand noch nicht formuliert hat. Beim Bauen entstehen Assoziationen und Verbindungen, die im Gespräch nicht auftauchen würden. Das Modell wird zum Kommunikationsmedium.
Der Kern-Prozess
Dieser Zyklus wiederholt sich mehrfach im Workshop. Die Modelle werden immer komplexer, Einzelmodelle werden zu Gruppenmodellen, Landschaften entstehen.
Warum Bauen anders ist als Reden
- Demokratisierend: Jeder baut, jeder teilt – keine dominierenden Redner
- Konkretisierend: Abstrakte Konzepte werden anfassbar
- Verlangsamend: Das Bauen erzwingt Nachdenken vor dem Sprechen
- Überraschend: Die Hände wählen Steine, die der Kopf nicht geplant hatte
- Erinnerbar: Visuelle 3D-Modelle bleiben im Gedächtnis
Typische Anwendungsfälle
| Anwendungsfall | Typische Frage | Ergebnis |
|---|---|---|
| Strategieentwicklung | „Baue unser Unternehmen in 5 Jahren" | Zukunftsvisionen, geteiltes Verständnis |
| Teamdynamik | „Baue deine Rolle im Team" | Rollenklarheit, Beziehungsmuster |
| Problemlösung | „Baue das Hindernis für unser Projekt" | Identifizierte Blocker, Lösungsansätze |
| Werte & Kultur | „Baue einen Wert, der dir wichtig ist" | Explizite Werte, Alignment |
| Change Management | „Baue den Wandel, den wir durchmachen" | Emotionen sichtbar, Ängste ansprechbar |
| Innovation | „Baue die Lösung für Problem X" | Kreative Ideen, unerwartete Verbindungen |
Fallbeispiel: Strategieentwicklung
Ein mittelständisches Unternehmen nutzte LSP für seine Jahresplanung. Statt PowerPoint-Schlachten bauten die Führungskräfte ihre Vision des Unternehmens in drei Jahren. Ein Manager baute einen Turm mit wackeliger Basis – er artikulierte damit unbewusst seine Sorge über die finanzielle Stabilität. Diese Sorge war nie zuvor ausgesprochen worden.
Die Diskussion, die folgte, war produktiver als jedes klassische Meeting. Das Modell gab den Worten Gewicht und machte Abstraktes konkret. Am Ende hatte das Team nicht nur eine Strategie, sondern ein geteiltes Bild davon.
Workshop-Ablauf: Ein typischer LSP-Tag
Phase 1: Skills Building (60–90 Minuten)
Der Workshop beginnt mit technischen Übungen, die die „Lego-Sprache" etablieren. Teilnehmer bauen zunächst einfache Modelle zu ungefährlichen Themen – einen Turm, ein Tier, etwas Abstraktes. Das Ziel: Mit den Steinen vertraut werden und die Angst vor dem Bauen verlieren.
Typische Skills-Building-Übungen:
- „Baue den höchsten Turm in 60 Sekunden"
- „Baue etwas, das fliegen kann"
- „Baue eine Metapher für deinen Morgen"
Phase 2: Individual Models (90–120 Minuten)
Jetzt beginnt die inhaltliche Arbeit. Jeder Teilnehmer baut Modelle zu den Workshop-Fragen – individuell und still. Nach dem Bauen erklärt jeder sein Modell. Die Regel: „Das Modell spricht" – nicht die Person erklärt, was sie denkt, sondern was das Modell zeigt.
Beispielsequenz für einen Strategie-Workshop:
Phase 3: Shared Models (60–90 Minuten)
In dieser Phase entstehen Gruppenmodelle. Entweder werden Einzelmodelle zu einer Landschaft verbunden, oder die Gruppe baut gemeinsam ein neues Modell. Diese Phase zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Perspektiven.
Zwei Varianten:
- Landscape Building: Alle Modelle auf einen Tisch, Verbindungen zwischen Modellen identifizieren
- Co-Creation: Die Gruppe baut gemeinsam ein Modell zu einer übergreifenden Frage
Phase 4: Reflection & Commitments (30–45 Minuten)
Der Workshop endet mit der Übersetzung der Modell-Erkenntnisse in konkrete Handlungen. Was haben wir gelernt? Was bedeutet das für unsere Strategie, unser Team, unser Projekt? Welche konkreten Schritte nehmen wir mit?
Modelle werden fotografiert und dokumentiert. Manche Teams stellen ihre Modelle im Büro aus – als dauerhafter Reminder an die Workshop-Erkenntnisse.
Die Materialien: Was wird benötigt?
Lego-Sets
Für LSP gibt es spezielle Starter-Kits mit einer kuratierten Auswahl an Steinen – besonders viele Figuren, Räder, Verbindungselemente und metaphorisch nutzbare Teile. Ein Kit pro Person ist ideal.
Alternativen zum offiziellen Kit:
- Zusammengestellte Sets aus regulären Lego-Steinen
- Gebrauchte Steine (gut gereinigt)
- Minimum: 200–300 vielfältige Steine pro Person
Raum und Setup
- Große Tische, an denen gebaut werden kann
- Gute Beleuchtung
- Keine klassische Seminarbestuhlung – Teilnehmer sollten um Tische herum stehen oder sitzen
- Kamera für Dokumentation der Modelle
- Ausreichend Platz für die Landscape-Phase
Zeitbedarf
- Minimum: 3 Stunden (nur Basics, eine Kernfrage)
- Standard: 6–8 Stunden (voller Workshop mit Skills Building, mehreren Runden, Landscape)
- Intensiv: 2 Tage (komplexe Strategiethemen, Szenario-Entwicklung)
Die Rolle des LSP-Facilitators
Ein Lego Serious Play Workshop braucht einen zertifizierten oder erfahrenen Facilitator. Die Methode wirkt einfach, erfordert aber Können in Frage-Design, Moderation und Gruppendynamik. Ohne guten Facilitator bleibt LSP ein nettes Spiel ohne Tiefgang.
Was der Facilitator tut
- Fragen designen: Die richtigen Fragen in der richtigen Reihenfolge stellen
- Zeit managen: Bauphasen und Sharing-Phasen ausbalancieren
- Prozess schützen: Sicherstellen, dass alle bauen und alle teilen
- Tiefe erzeugen: Nachfragen zu Modellen stellen, die Einsichten vertiefen
- Ergebnisse sichern: Erkenntnisse dokumentieren und in Handlungen übersetzen
Zertifizierung
Die Association of Master Trainers in the Lego Serious Play Method bietet offizielle Trainings an. Die Zertifizierung dauert 3–4 Tage und ist Voraussetzung für professionelle LSP-Facilitation. Alternativ: Erfahrene LSP-Practitioner engagieren.
Wissenschaftliche Basis: Warum LSP funktioniert
LSP basiert auf mehreren psychologischen und neurowissenschaftlichen Prinzipien, die seine Wirksamkeit erklären.
Konstruktionismus (Papert & Piaget)
Menschen lernen und verstehen besser, wenn sie Konzepte physisch konstruieren. Das Modell ist nicht nur Illustration, sondern Denk-Werkzeug.
Embodied Cognition
Denken ist nicht nur im Kopf – der gesamte Körper ist am kognitiven Prozess beteiligt. Die Hände beim Bauen aktivieren andere Denkprozesse als reine Sprache.
Flow-Theorie (Csikszentmihalyi)
Das Bauen erzeugt einen Flow-Zustand – konzentrierte, befriedigende Arbeit. In diesem Zustand entstehen kreativere Lösungen.
Metapherntheorie (Lakoff & Johnson)
Menschen denken in Metaphern. LSP macht diese Metaphern physisch und teilbar. Das Modell wird zur greifbaren Metapher.
Studien der Copenhagen Business School zeigen: LSP-Workshops erreichen höhere Engagement-Werte und nachhaltigere Ergebnisse als vergleichbare klassische Workshops. Die physische Verankerung der Erkenntnisse verbessert die Umsetzung.
Häufige Fehler und wie man sie vermeidet
Fehler 1: Skills Building überspringen
Manche Facilitatoren kürzen das Skills Building, um Zeit zu sparen. Fataler Fehler. Ohne Aufwärmphase fühlen sich Teilnehmer unwohl und bauen oberflächlich. Die Investment von 60–90 Minuten am Anfang zahlt sich mehrfach zurück.
Fehler 2: Zu schnell zum Sharing
Teilnehmer brauchen Zeit zum Bauen – typischerweise 10–20 Minuten pro Frage, je nach Komplexität. Zu kurze Bauzeiten erzeugen frustrierte Teilnehmer und unfertige Modelle.
Fehler 3: Interpretation durch andere
Bei LSP erklärt jeder sein eigenes Modell. Andere dürfen Fragen stellen, aber nicht interpretieren. „Ich sehe in deinem Modell, dass du frustriert bist" ist ein No-Go. Nur der Bauende weiß, was das Modell bedeutet.
Fehler 4: Keine Ergebnissicherung
Der Workshop endet, die Modelle werden abgebaut, nichts bleibt. Immer: Modelle fotografieren, Erkenntnisse dokumentieren, Action Items definieren. Die Magie des Moments muss übersetzt werden in dauerhafte Veränderung.
LSP für Remote-Teams
Lego Serious Play kann auch remote durchgeführt werden – mit Home-Kits für jeden Teilnehmer und Videokonferenz. Die Methode verliert etwas von ihrer haptischen Kraft, bleibt aber wirksam.
Setup für Remote-LSP
- Kits versenden: Jeder Teilnehmer erhält vorher ein identisches Set
- Kamera-Position: Teilnehmer zeigen Modelle in die Kamera
- Dokumentation: Screenshots der Modelle, digitales Whiteboard für Notizen
- Breakouts: Für Landscape-Building kleinere Gruppen bilden
Herausforderungen remote
- Weniger spontane Interaktion zwischen Modellen
- Technische Probleme mit Kameras
- Längere Sharing-Phasen, da nacheinander gezeigt werden muss
- Schwieriger, physische Landschaften zu bauen
Wann LSP nicht passt
Lego Serious Play ist nicht für jeden Kontext geeignet. Die Methode erfordert Zeit, Offenheit und einen bestimmten Mindset. In manchen Situationen sind andere Formate effektiver.
LSP passt nicht, wenn:
- Schnelle Entscheidungen nötig sind (LSP ist langsam und explorativ)
- Die Gruppe zu groß ist (über 20 Personen wird es logistisch schwierig)
- Teilnehmer fundamental gegen spielerische Methoden sind
- Die Fragestellung zu eng ist (LSP braucht offene Fragen)
- Kein qualifizierter Facilitator verfügbar ist
LSP passt besonders, wenn:
- Komplexe, abstrakte Themen bearbeitet werden sollen
- Verschiedene Perspektiven gehört werden müssen
- Dominante Redner üblicherweise Meetings kapern
- Emotionale Themen anstehen, die schwer verbalisierbar sind
- Teams neue Denkweisen ausprobieren wollen
Fazit: Mit den Händen denken lernen
Lego Serious Play ist mehr als ein Gimmick – es ist eine fundierte Methode, die anders arbeitet als klassische Workshops. Das Bauen verlangsamt, vertieft und demokratisiert die Diskussion. Modelle machen Unsichtbares sichtbar und Abstraktes konkret.
Die Methode erfordert Mut: von der Organisation, die in Lego-Sets investiert; vom Facilitator, der den Prozess hält; von den Teilnehmern, die sich auf „Kinderspielzeug" einlassen. Der Lohn ist unverhältnismäßig groß – Erkenntnisse, die in keinem klassischen Meeting entstanden wären.
Für Teams, die bereit sind, anders zu denken, öffnet LSP Türen, die mit Worten allein verschlossen bleiben.
Braucht man eine Zertifizierung, um LSP zu facilitieren?
Die offizielle Zertifizierung ist nicht rechtlich vorgeschrieben – LSP ist eine offene Methode. Für professionelle Workshops ist die Zertifizierung aber dringend empfohlen. Ohne Ausbildung fehlt das tiefe Verständnis für Frage-Design und Prozessführung.
Wie reagieren skeptische Teilnehmer auf Lego?
Die meisten Skeptiker wandeln sich innerhalb der Skills-Building-Phase. Das Bauen ist einladend und niedrigschwellig. Wichtig: Den Business-Kontext betonen und Forschungsergebnisse erwähnen. LSP ist keine Spielerei, sondern eine evidenzbasierte Methode.
Wie viel kosten die Lego-Sets?
Offizielle LSP-Starter-Kits kosten ca. 30–50 € pro Person. Für größere Gruppen kann mit zusammengestellten Sets gearbeitet werden. Die Investition ist einmalig – Sets können für viele Workshops wiederverwendet werden.
Funktioniert LSP auch für sehr analytische Themen?
Ja, gerade für analytische Themen ist LSP wertvoll. Das Bauen aktiviert andere Denkweisen und führt zu Einsichten, die pure Analyse nicht erreicht. Finanzteams, Ingenieursgruppen und Entwicklerteams profitieren oft besonders.
Was passiert mit den Modellen nach dem Workshop?
Modelle werden fotografiert und können ausgestellt werden. Manche Teams bauen Schlüsselmodelle nach und stellen sie im Büro auf. Das Modell wird zum Symbol für die Workshop-Erkenntnis – ein visueller Reminder im Alltag.
Stand: Dezember 2025
Quellen: Association of Master Trainers in the Lego Serious Play Method Copenhagen Business School – LSP Research Studies Rasmussen Consulting – LSP Effectiveness Data IMD Business School – Original LSP Research


