Ratgeber

Die Vier-Tage-Woche und ihre Folgen für Offsites

Die Vier-Tage-Woche und ihre Folgen für Offsites
Weniger Bürotage, mehr Bedarf an gezielten Zusammenkünften – ein neuer Rhythmus entsteht.

Der Montag fällt weg, das Wochenende beginnt am Donnerstagabend – und plötzlich stellt sich die Frage neu: Wann treffen sich Teams eigentlich noch persönlich? Die Vier-Tage-Woche, von 45 deutschen Unternehmen im größten Pilotprojekt des Landes getestet, verändert nicht nur Arbeitsrhythmen, sondern auch die Bedeutung von Offsites. Was früher nebenbei im Büroalltag passierte – der spontane Austausch am Kaffeeautomaten, das kurze Gespräch nach dem Meeting – muss nun bewusst geplant werden. Laut einer Studie von Surf Office halten 57 Prozent der vollständig remote arbeitenden Unternehmen Offsites für essenziell für ihren Geschäftserfolg. Bei verkürzter Arbeitswoche verschärft sich dieser Befund noch.

Die Ausgangslage: Wo steht die Vier-Tage-Woche in Deutschland?

Die Vier-Tage-Woche ist in Deutschland kein Massenphänomen, aber ein wachsender Trend: Rund 4 Prozent der Unternehmen setzen das Modell bereits um, in Stellenanzeigen taucht es 15-mal häufiger auf als noch 2019. Besonders Handwerk, IT und Unternehmen mit Fachkräftemangel nutzen die verkürzte Woche als Wettbewerbsvorteil.

Die Zahlen zeichnen ein differenziertes Bild: Im April 2024 erwähnten deutschlandweit 4.200 Unternehmen die Vier-Tage-Woche in ihren Stellenanzeigen – deutlich mehr als in den Vorjahren. Am häufigsten findet sich das Modell in Inseraten für Handwerker und Bauarbeiter mit fast 4.100 Anzeigen. Bayern führt regional mit nahezu 1.100 werbenden Firmen.

Das deutsche Pilotprojekt unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität Münster lieferte erste Ergebnisse: 45 Unternehmen testeten sechs Monate lang das 100-80-100-Modell – 100 Prozent Leistung bei 80 Prozent Arbeitszeit und 100 Prozent Gehalt. Die Produktivität blieb stabil oder stieg sogar, Mitarbeitende berichteten von besserer Gesundheit und höherer Zufriedenheit. 73 Prozent der teilnehmenden Unternehmen führten das Modell nach der Testphase fort.

Doch die Einführung erwies sich als komplexer als gedacht: Rund 40 Prozent der Unternehmen benötigten länger für die Vorbereitungen und konnten erst im März oder später starten. Der Grund: Es geht nicht nur um Arbeitsprozesse, sondern um einen tiefgreifenden Kulturwandel.

ModellvarianteBeschreibungVerbreitung
Verdichtete Vollzeit (4×10)40 Stunden auf 4 Tage verteilt~40 % der Angebote
Verkürzte Vollzeit (100-80-100)32 Stunden bei vollem Gehalt~5 % der Angebote
Flexible Vier-Tage-OptionWahlmöglichkeit für MitarbeitendeZunehmend

Warum Offsites wichtiger werden

Mit weniger gemeinsamen Bürotagen sinkt der informelle Austausch, während der Bedarf an bewusst gestalteten Begegnungen steigt. Offsites entwickeln sich vom netten Extra zur strategischen Notwendigkeit – 85 Prozent der Unternehmen nennen Team-Building als primäres Ziel ihrer Retreats, und 91 Prozent der Offsite-Organisatoren arbeiten in Remote- oder Hybrid-Modellen.

Die Logik ist einfach: Wer nur noch an drei oder vier Tagen arbeitet – und davon möglicherweise mehrere im Homeoffice – verliert die zufälligen Begegnungen, die Teamkultur formen. Der „State of Company Offsites Report 2025" von Surf Office belegt: Offsites sind von gelegentlichen Vergünstigungen zu strategischen Investitionen geworden.

Bei einem Beratungsprojekt mit einem Hamburger E-Commerce-Unternehmen, das die Vier-Tage-Woche eingeführt hatte, wurde mir der Zusammenhang deutlich: Die Mitarbeitenden lobten die gewonnene Freizeit, beklagten aber gleichzeitig das schwächere Teamgefühl. Die Lösung waren nicht mehr, sondern intensivere Zusammenkünfte – quartalsweise Offsites statt sporadischer Teamevents.

Der Effekt lässt sich quantifizieren: Unternehmen berichten nach gut organisierten Offsites von gesteigertem Zusammenhalt, klarerer Ausrichtung auf gemeinsame Ziele und höherer Motivation. Diese weichen Faktoren schlagen sich in harten Kennzahlen nieder – geringere Fluktuation, schnellere Projektabschlüsse, bessere Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg.

Der neue Rhythmus: Frequenz und Timing von Offsites

Die ideale Offsite-Frequenz hängt von Teamgröße, Arbeitsmodell und Unternehmenskultur ab – doch ein klarer Trend zeichnet sich ab: Quartalsweise Zusammenkünfte etablieren sich als neuer Standard, ergänzt durch ein bis zwei größere Jahresevents für die gesamte Organisation.

Die Daten zeigen: 91 Prozent der Offsite-Organisatoren arbeiten in vollständig remote oder hybriden Strukturen. Diese Unternehmen können nicht auf den Büroalltag als Bindeglied setzen und kompensieren durch regelmäßige, geplante Treffen.

Ein praktischer Rhythmus, der sich in meiner Beratungspraxis bewährt hat:

  • Quartals-Offsites (2–3 Tage): Fokus auf Strategie, Roadmap-Planung und Team-Building. Wechselnde Locations schaffen Abwechslung und neue Impulse.
  • Jahres-Kickoff (3–4 Tage): Größeres Format mit allen Abteilungen, Vision und Jahresplanung, oft an inspirierenden Orten.
  • Halbjahres-Review (1–2 Tage): Kompaktes Format zur Standortbestimmung, kann auch regional für einzelne Teams stattfinden.
Für Unternehmen mit Vier-Tage-Woche empfehle ich, Offsites nicht auf den freien fünften Tag zu legen. Das konterkariert die gewonnene Work-Life-Balance und erzeugt Unmut. Besser: Offsites als Teil der Arbeitszeit definieren, idealerweise Mittwoch bis Freitag oder Dienstag bis Donnerstag.

Die Owl Labs „State of Hybrid Work"-Studie 2025 bestätigt: 54 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten hybrid, zehn Prozentpunkte weniger als im Vorjahr. Der Trend zu mehr Büropräsenz könnte den Offsite-Bedarf leicht dämpfen – doch für Vier-Tage-Unternehmen gilt das Gegenteil.

Neue Formate für veränderte Bedürfnisse

Klassische Tagungsformate weichen erlebnisorientierten Konzepten: Countryside Retreats in ablenkungsfreier Umgebung liegen im Trend, während Workshop-Inhalte interaktiver und weniger frontal werden. Die Kombination aus fokussierter Arbeit, Teambuilding und echten Pausen ersetzt das durchgetaktete Programm.

Der „State of Company Offsites Report 2025" zeigt einen deutlichen Trend zu ländlichen Retreat-Locations. Ruhigere Umgebungen fördern Fokus und Zusammenhalt – weg von der Hotelkonferenzraum-Atmosphäre, hin zu authentischen Orten mit Charakter.

Formate, die bei verkürzter Arbeitswoche besonders gut funktionieren:

Deep Work Retreats: Zwei bis drei Tage, an denen strategische Themen ohne Ablenkung bearbeitet werden. Morgens fokussierte Arbeitsphasen, nachmittags gemeinsame Aktivitäten. Kein E-Mail-Check, keine parallelen Calls.

Connection Camps: Der Fokus liegt explizit auf Beziehungsaufbau, nicht auf Arbeitsergebnissen. Gemeinsames Kochen, Outdoor-Aktivitäten, moderierte Gesprächsrunden. Besonders wertvoll für Teams, deren Mitglieder sich im Alltag selten persönlich sehen.

Skill-Sprints: Intensive Lernformate, bei denen das gesamte Team neue Fähigkeiten erwirbt – von Design Thinking über KI-Tools bis zu Kommunikationstechniken. Der Lerninhalt wird zum gemeinsamen Erlebnis.

Workcation-Elemente: Verlängerung des Offsites um optionale private Tage am Veranstaltungsort. Wer möchte, bleibt das Wochenende – auf eigene Kosten, aber mit organisierter Infrastruktur.

Aus meiner Erfahrung: Die erfolgreichsten Offsites balancieren Struktur und Freiraum. Ein durchgetaktetes Programm von 8 bis 22 Uhr erschöpft – bewusste Pausen und optionale Aktivitäten schaffen Raum für organische Gespräche.

Location-Strategien: Stadt versus Land

Die Wahl zwischen urbanem Tagungshotel und ländlichem Retreat beeinflusst Dynamik und Ergebnisse eines Offsites maßgeblich. Ländliche Locations punkten mit Ruhe und Fokus, städtische Venues mit Erreichbarkeit und Infrastruktur – die optimale Wahl hängt von Teamzusammensetzung und Zielen ab.

Der Trend geht klar Richtung Countryside: Retreat-Locations außerhalb der Städte boomen. Die Begründung liegt auf der Hand – wer ohnehin weniger im Büro ist, sucht bei Zusammenkünften nicht noch mehr urbanen Trubel, sondern bewussten Kontrast zum Alltag.

Für Teams mit Vier-Tage-Woche empfehle ich folgende Entscheidungslogik:

Ländliche Locations wählen, wenn:

  • Strategische Themen bearbeitet werden sollen
  • Das Team sich noch nicht gut kennt oder neue Mitglieder integriert werden
  • Ablenkungsfreie Atmosphäre wichtiger ist als Erreichbarkeit
  • Teambuilding und Beziehungsaufbau im Fokus stehen
Städtische Locations wählen, wenn:
  • Externe Speaker oder Partner eingebunden werden
  • Teilnehmende aus verschiedenen Regionen anreisen
  • Kulturprogramm oder abendliche Aktivitäten gewünscht sind
  • Das Format kürzer ist (Tages-Workshop statt Mehrtages-Retreat)
Nachhaltigkeitsaspekte spielen zunehmend eine Rolle: Locations mit guter Bahnanbindung reduzieren den CO₂-Fußabdruck erheblich. Einige Anbieter wie die Berliner „Besondere Orte" bieten Venue-Tickets an, mit denen alle Teilnehmenden klimaneutral per Bahn anreisen.

Budgetplanung und ROI-Betrachtung

Offsites erfordern signifikante Investitionen, die sich bei richtiger Planung mehrfach auszahlen: Geringere Fluktuation, höhere Produktivität und bessere Zusammenarbeit rechtfertigen Budgets von typischerweise 500 bis 1.500 Euro pro Person und Veranstaltung. Der Schlüssel liegt in klaren Zielen und messbaren Erfolgskriterien.

Die Kosten variieren stark nach Format und Anspruch. Eine Orientierung:

KostenpositionBudget pro Person/TagBemerkung
Location & Unterkunft80–200 €Tagungshotel bis Retreat-Venue
Verpflegung40–80 €Vollpension, Bio-Catering extra
Programm & Moderation30–100 €Externe Trainer, Facilitators
Anreise50–150 €Je nach Entfernung
Aktivitäten30–80 €Teambuilding, Ausflüge
Gesamt (2 Tage)460–1.220 €Pro Person

Für ein Team von 20 Personen bedeutet das bei einem Zwei-Tages-Offsite Gesamtkosten zwischen 9.000 und 24.000 Euro. Quartalsweise durchgeführt summiert sich das auf einen sechsstelligen Jahresbetrag – eine Investition, die Begründung erfordert.

Der ROI lässt sich an mehreren Stellen messen: Die Kosten für Neueinstellungen liegen typischerweise bei einem halben bis ganzen Jahresgehalt. Jede verhinderte Kündigung durch bessere Teamkultur rechtfertigt mehrere Offsites. Hinzu kommen Produktivitätsgewinne durch klarere Abstimmung und schnellere Entscheidungsfindung.

Mein Tipp zur Budgetargumentation: Berechnen Sie die Kosten pro Mitarbeitenden pro Monat. Bei vier Quartals-Offsites à 800 Euro sind das etwa 270 Euro monatlich – oft weniger als ein Firmenwagen-Anteil oder Bürokosten am Standort.

Praxis-Tipps: So gelingen Offsites bei Vier-Tage-Woche

Erfolgreiche Offsites erfordern sorgfältige Planung, die bei verkürzter Arbeitswoche besondere Sensibilität verlangt: Zeitliche Platzierung, Arbeit-Freizeit-Balance und klare Kommunikation der Erwartungen entscheiden über Akzeptanz und Wirksamkeit.

Timing beachten

Legen Sie Offsites nicht auf den freien fünften Tag. Das Signal: Die Vier-Tage-Woche gilt, aber für Firmenevents nicht – das frustriert. Integrieren Sie Offsites in die reguläre Arbeitswoche und kommunizieren Sie transparent, dass Reisezeit als Arbeitszeit zählt.

Freiwilligkeit bei Abendprogrammen

Verpflichtende Teamdinner bis Mitternacht passen nicht zu einer Kultur, die Work-Life-Balance ernst nimmt. Bieten Sie Optionen an: Gemeinsames Abendessen ja, anschließendes Programm freiwillig. Wer früher ins Bett möchte, darf das ohne schlechtes Gewissen.

Pufferzeiten einplanen

Der Fehler vieler Offsites: Zu volle Programme ohne Raum für Spontanes. Die wertvollsten Gespräche entstehen oft in Pausen. Planen Sie maximal 60 Prozent der Zeit fest durch, der Rest darf atmen.

Ergebnisse dokumentieren

Ein Offsite ohne Follow-up verpufft. Definieren Sie vorab, welche Entscheidungen getroffen werden sollen. Dokumentieren Sie Vereinbarungen schriftlich und verteilen Sie Verantwortlichkeiten. Ein kurzer „Offsite Recap" an alle Mitarbeitenden – auch jene, die nicht dabei waren – schafft Transparenz.

Feedback systematisch einholen

Nach jedem Offsite: Kurze Umfrage mit drei bis fünf Fragen. Was war hilfreich? Was hat gefehlt? Was sollte sich ändern? Dieses Feedback fließt in die Planung des nächsten Events.

Die Zukunft: Wohin entwickelt sich der Trend?

Die Verbindung aus flexiblen Arbeitszeitmodellen und gezielten Präsenz-Formaten wird zur neuen Normalität – Unternehmen investieren bewusster in Begegnungsqualität statt Begegnungsquantität. Technologie unterstützt die Koordination, ersetzt aber nicht das persönliche Erleben.

Die Entwicklung zeigt in eine klare Richtung: Weniger ungeplante Büropräsenz, mehr geplante Intensivformate. Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche einführen, berichten fast durchweg von gestiegenem Bedarf an strukturierten Zusammenkünften.

Technologisch gewinnen Tools für hybride Meetings an Bedeutung – auch bei Offsites, wenn einzelne Teammitglieder nicht anreisen können. Hochwertige Videokonferenzsysteme, immersive Setups mit 4K-Qualität und smarte Whiteboards schließen die Lücke zumindest teilweise.

Gleichzeitig wächst die Erkenntnis: Manche Dinge funktionieren nur persönlich. Vertrauensaufbau, Konfliktlösung, kreative Ideenfindung – die Forschung zeigt konsistent, dass diese Prozesse von physischer Präsenz profitieren. Offsites werden zum bewusst eingesetzten Instrument für genau diese Momente.

Für Unternehmen bedeutet das: Die Frage ist nicht ob, sondern wie oft und in welcher Form Offsites stattfinden. Die Vier-Tage-Woche macht diese Entscheidung dringlicher – und die Investition lohnenswerter.

Wie oft sollten Teams mit Vier-Tage-Woche Offsites durchführen?

Quartalsweise Zusammenkünfte von zwei bis drei Tagen haben sich als effektiver Standard etabliert. Bei kleineren Teams oder geringem Budget sind halbjährliche Formate möglich, bei verteilten Teams mit wenig persönlichem Kontakt können auch sechs bis acht Treffen jährlich sinnvoll sein.

Zählt ein Offsite als Arbeitstag bei der Vier-Tage-Woche?

Ja, Offsites sollten vollständig als Arbeitszeit gelten – inklusive Anreise. Das Offsite ersetzt reguläre Arbeitstage, nicht den freien fünften Tag. Alles andere untergräbt die Glaubwürdigkeit des Arbeitszeitmodells.

Wie vermeidet man Unmut bei Mitarbeitenden, die nicht an Offsites teilnehmen können?

Transparente Kommunikation über Inhalte und Ergebnisse, alternative Teilnahme-Möglichkeiten (hybrid zugeschaltet für Teile des Programms) und faire Rotation bei mehreren Offsites pro Jahr. Dokumentieren Sie Entscheidungen schriftlich, damit niemand informelle Nachteile hat.

Welches Budget ist für Offsites bei verkürzter Arbeitswoche angemessen?

Als Faustregel: 1 bis 2 Prozent der jährlichen Personalkosten für Teamevents und Offsites. Bei einem Team von 20 Personen mit durchschnittlichen Gehältern entspricht das einem fünfstelligen Budget, das quartalsweise Zusammenkünfte ermöglicht.

Funktionieren hybride Offsites als Kompromiss?

Bedingt. Für Informationsvermittlung und Abstimmungen können hybride Formate funktionieren. Für Beziehungsaufbau und echtes Teambuilding sind sie kein vollwertiger Ersatz. Besser: Kleinere Präsenz-Formate als gar keine, aber nicht als Dauerlösung.


Quellen

  • IW-Personalpanel „Die 4-Tage-Woche in der deutschen Wirtschaft" (März 2025)
  • Universität Münster/Intraprenör Pilotstudie zur 4-Tage-Woche (2024)
  • Bertelsmann Stiftung Jobmonitor-Analyse (November 2025)
  • Surf Office „State of Company Offsites Report 2025"
  • Owl Labs „State of Hybrid Work"-Studie (September 2025)
  • Index Research Stellenmarkt-Auswertung (2024/2025)
  • 4 Day Week Global Forschungsergebnisse

Stand: Dezember 2025