Walking Meeting: Denken in Bewegung

Das Format eignet sich besonders für Kreativ-Sessions, schwierige 1:1-Gespräche und Brainstorming. In diesem Artikel erfährst du, wie du Walking Meetings planst, durchführst und in deinen Arbeitsalltag integrierst.
Die Wissenschaft dahinter
Die Stanford-Studie (2014) lieferte den wissenschaftlichen Beweis für das, was viele intuitiv wussten.
Die Forschungsergebnisse
| Messung | Ergebnis |
|---|---|
| Kreative Ideenproduktion | +60% beim Gehen vs. Sitzen |
| Anteil der Teilnehmer mit Verbesserung | 81% profitierten vom Gehen |
| Effekt nach dem Gehen | Kreativität bleibt auch nach dem Hinsetzen erhöht |
| Ort | Indoor (Laufband) und Outdoor gleich wirksam |
Die Studie im Detail
Methode: 176 Teilnehmer absolvierten kreative Aufgaben (Guilford's Alternate Uses Test) unter verschiedenen Bedingungen:
- Sitzen drinnen
- Gehen auf dem Laufband (vor blanker Wand)
- Sitzen draußen (im Rollstuhl geschoben)
- Gehen draußen
Warum Gehen kreativ macht
Mögliche Erklärungen:
- Divergentes Denken: Bewegung fördert freien Gedankenfluss
- Reduzierte Rumination: Weniger Grübeln, mehr Offenheit
- Erhöhte Durchblutung: Mehr Sauerstoff fürs Gehirn
- Metaphorische Verbindung: Vorwärtsbewegung = geistige Bewegung
- Stimmungsverbesserung: Endorphine fördern positive Denkmuster
Vorteile von Walking Meetings
Für Kreativität und Problemlösung
| Vorteil | Mechanismus |
|---|---|
| Mehr und bessere Ideen | Divergentes Denken aktiviert |
| Neue Perspektiven | Physische Bewegung öffnet geistigen Horizont |
| Blockaden lösen | Festgefahrene Gedanken kommen in Fluss |
| Innovation fördern | Ungewohnte Umgebung regt neues Denken an |
Für Beziehungen und Kommunikation
| Vorteil | Mechanismus |
|---|---|
| Tiefere Gespräche | Weniger konfrontativ als Vis-à-vis |
| Bessere Zuhörqualität | Keine Ablenkung durch Bildschirme |
| Schwierige Themen leichter | Paralleles Gehen reduziert Spannung |
| Vertrauensaufbau | Gemeinsame Aktivität verbindet |
Für Gesundheit und Energie
| Vorteil | Mechanismus |
|---|---|
| Bewegung in den Tag integriert | Sitzen reduziert, Schritte gesammelt |
| Energie tanken | Frische Luft und Tageslicht |
| Stressabbau | Bewegung reduziert Cortisol |
| Nachmittagstief überwinden | Aktiv statt schlapp nach dem Mittagessen |
Formate für Walking Meetings
1:1 Walking Meeting
Das klassische Format – ideal für Führungsgespräche und persönlichen Austausch.
Dauer: 20–45 Minuten
Geeignet für:
- Feedback-Gespräche
- Karriere-Diskussionen
- Coaching-Sessions
- Kreative Problemlösung
- Schwierige Themen besprechen
Tipp: Nebeneinander gehen, nicht hintereinander. Tempo: gemütlich, nicht sportlich.
Team Walking Meeting (3–6 Personen)
Für kleine Gruppen – kreativer als der Konferenzraum.
Dauer: 30–60 Minuten
Geeignet für:
- Brainstorming
- Retrospektiven
- Strategiediskussionen
- Team-Building
Herausforderung: Bei mehr als 3–4 Personen schwierig, alle einzubeziehen.
Lösung: Wechselnde Paare bilden, die sich nach festgelegten Intervallen neu mischen.
Walking Brainstorm
Strukturiertes Kreativ-Format in Bewegung.
Dauer: 45–60 Minuten
Ablauf:
┌─────────────────────────────────────────────────────────┐
│ │
│ 1. BRIEFING (5 Min.) │
│ - Problemstellung vorstellen │
│ - „Wie könnten wir...?"-Frage │
│ │
│ 2. SOLO WALK (10 Min.) │
│ - Jeder geht allein │
│ - Ideen auf Karten/Handy notieren │
│ │
│ 3. PAIR WALK (15 Min.) │
│ - Paare bilden, gemeinsam gehen │
│ - Ideen teilen und kombinieren │
│ │
│ 4. GROUP WALK (15 Min.) │
│ - Alle zusammen │
│ - Beste Ideen vorstellen │
│ │
│ 5. DEBRIEF (10 Min.) │
│ - Zurück, Ergebnisse festhalten │
│ - Nächste Schritte definieren │
│ │
└─────────────────────────────────────────────────────────┘
Walking Retrospektive
Sprint-Retro im Freien – neue Energie für bekanntes Format.
Dauer: 45–60 Minuten
Ablauf:
Walking 1-2-4-All
Liberating Structure im Gehen.
Dauer: 30–40 Minuten
Ablauf:
Praktische Tipps
Route planen
Ideale Eigenschaften:
- Flach und gut begehbar
- Wenig Verkehrslärm
- Rundweg (zurück zum Ausgangspunkt)
- Klarer Start- und Endpunkt
- Bei Bedarf: Zwischenstopps für Notizen
- Park oder Grünanlage
- Ruhige Straßen im Büroviertel
- Firmengelände
- Uferwege, Promenaden
Wetter und Jahreszeit
| Bedingung | Empfehlung |
|---|---|
| Leichter Regen | Regenschirm oder Regenjacke – funktioniert! |
| Starker Regen | Ins Gebäude verlagern (Flure, Treppen) |
| Große Hitze | Morgens früh oder spät nachmittags |
| Kälte | Warm anziehen, kürzere Route |
| Glatteis | Indoor-Alternative nutzen |
Equipment
Minimal:
- Bequeme Schuhe (vorher informieren)
- Kleine Notizkarten oder Handy
- Aufnahmegerät/Sprachnotiz-App
- Getränk für längere Walks
- Sonnenschutz
Dokumentation
Die Herausforderung: Keine Flipcharts, keine Whiteboards.
Lösungen:
- Voice Memos aufnehmen (Einverständnis holen)
- Kurze Notizen auf Karten
- Foto von Notizen am Ende
- Zusammenfassung direkt nach dem Walk
- Eine Person als „Protokollant"
Wann Walking Meetings funktionieren
Ideale Anwendungen
- 1:1-Gespräche: Feedback, Coaching, schwierige Themen
- Kreative Brainstorming: Neue Ideen generieren
- Strategie-Diskussionen: Große Fragen durchdenken
- Konfliktgespräche: Deeskalation durch Bewegung
- Retrospektiven: Neuer Rahmen für bekanntes Format
Weniger geeignet
- Detaillierte Dokumenten-Arbeit: Braucht Bildschirm/Papier
- Große Gruppen (>6): Schwer zu koordinieren
- Präsentationen: Visuelle Unterstützung fehlt
- Entscheidungsmeetings mit Daten: Zahlen schwer zu diskutieren
- Teilnehmer mit Mobilitätseinschränkungen: Alternative anbieten
Einführung im Team
Als Experiment starten
Schritt 1: Ein 1:1-Meeting pro Woche als Walk
Schritt 2: Feedback sammeln – wie war's?
Schritt 3: Bei positivem Feedback ausweiten
Schritt 4: Team einladen, es selbst auszuprobieren
Widerstände adressieren
| Einwand | Antwort |
|---|---|
| „Ich kann nicht mitschreiben" | Sprachnotizen, Zusammenfassung danach |
| „Das ist nicht professionell" | Steve Jobs, Zuckerberg, Aristoteles – alle taten es |
| „Wir brauchen Bildschirm/Whiteboard" | Für manche Meetings ja, für andere nicht |
| „Ich bin nicht fit genug" | Langsames Gehen, kurze Strecke, Pausen möglich |
| „Das Wetter ist schlecht" | Indoor-Alternative oder verschieben |
Kombinationen mit anderen Methoden
Walking + Timeboxing
- 15-Minuten-Walk für ein fokussiertes Thema
- Timer setzen
- Ergebnis beim Rückkommen festhalten
Walking + Reflexionsfragen
Feste Fragen für verschiedene Streckenabschnitte:
- Erste 10 Min.: „Was beschäftigt dich gerade?"
- Mittlere 10 Min.: „Welche Optionen siehst du?"
- Letzte 10 Min.: „Was ist der nächste Schritt?"
Walking + Stilles Denken
- Erst 10 Min. schweigend nebeneinander gehen
- Dann Austausch starten
- Tieferes Nachdenken vor der Diskussion
Remote-Variante: Solo Walking Meeting
Auch für verteilte Teams möglich.
Format
Vorteile
- Bewegung trotz Video-Call
- Weniger „Zoom Fatigue"
- Natürlicheres Gespräch
Tipps
- Stabile Verbindung sicherstellen (mobiles Netz testen)
- Ruhige Route wählen (wenig Verkehrslärm)
- Windschutz für Mikrofon
Historischer Kontext
Die Idee ist alt – sehr alt.
Philosophen und Walker
- Aristoteles: Lehrte im Gehen (Peripatetiker = „die Herumgehenden")
- Nietzsche: „Nur die ergangenen Gedanken haben Wert"
- Steve Jobs: Berühmte Walking Meetings mit Mitarbeitern und Bewerbern
- Mark Zuckerberg: Wichtige Gespräche oft im Gehen
- Barack Obama: Regelmäßige Walking Meetings mit Beratern
Fazit: Raus aus dem Konferenzraum
Walking Meetings sind mehr als ein Trend – sie nutzen die natürliche Verbindung von Bewegung und Denken. Die Wissenschaft bestätigt, was Philosophen und Visionäre seit Jahrtausenden praktizieren: Gehen macht kreativer, fördert tiefere Gespräche und bringt frische Perspektiven.
Das Format passt nicht für jedes Meeting. Aber für 1:1-Gespräche, kreatives Brainstorming und Reflexion ist es oft besser als der Konferenzraum. Es kostet nichts, braucht keine Vorbereitung und verbessert nebenbei die Gesundheit.
Der nächste Schritt: Nimm dein nächstes 1:1 und mach daraus einen Walk. 20 Minuten, eine einfache Route, bequeme Schuhe. Beobachte, was passiert.
Wie lang sollte ein Walking Meeting sein?
20–45 Minuten sind ideal. Kürzer ist zu kurz für tiefe Gespräche, länger wird anstrengend. Für 1:1 reichen oft 20–30 Minuten.
Was, wenn jemand nicht gut zu Fuß ist?
Alternativen anbieten: langsames Tempo, kürzere Strecke, Bänke für Pausen. Oder: Rolling Meeting (Rollstuhl-freundliche Route). Niemanden ausschließen.
Wie halte ich Ergebnisse fest?
Sprachnotizen, kurze Karten-Notizen unterwegs, Zusammenfassung direkt nach dem Walk. Oder: Eine Person fokussiert sich auf Dokumentation.
Funktioniert das auch bei sensiblen Themen?
Ja, oft sogar besser. Das Nebeneinander-Gehen ist weniger konfrontativ als Vis-à-vis. Bewegung hilft, Spannung abzubauen.
Wie überzeuge ich skeptische Kollegen?
Als einmaliges Experiment vorschlagen. „Lass uns das einmal ausprobieren." Nach dem Walk um Feedback bitten. Die meisten sind positiv überrascht.
Stand: Dezember 2025
Quellen: Oppezzo & Schwartz – Give Your Ideas Some Legs (Stanford, 2014) Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, and Cognition Wellable – Walking Increases Creative Output by 60% Open Culture – How Walking Fosters Creativity


