Ratgeber

Lightning Decision Jam: In 40 Minuten vom Problem zur Lösung

Lightning Decision Jam: In 40 Minuten vom Problem zur Lösung
Das Format löst ein fundamentales Problem: Die meisten Meetings produzieren keine Ergebnisse. Laut Atlassian verbringen Wissensarbeiter durchschnittlich **31 Stunden pro Monat** in unproduktiven Meetings. Der LDJ ist das Gegenprogramm: Eine klare Struktur, timeboxed Phasen und am Ende konkrete Actio...

Das Format löst ein fundamentales Problem: Die meisten Meetings produzieren keine Ergebnisse. Laut Atlassian verbringen Wissensarbeiter durchschnittlich 31 Stunden pro Monat in unproduktiven Meetings. Der LDJ ist das Gegenprogramm: Eine klare Struktur, timeboxed Phasen und am Ende konkrete Action Items mit Verantwortlichen.

Das Prinzip: Struktur schlägt Diskussion

Der Lightning Decision Jam ersetzt offene Diskussionen durch einen strukturierten Prozess, in dem jeder gleichberechtigt beiträgt. Kein dominierender Redner, kein „wir sollten das nochmal besprechen" – stattdessen stille Arbeit, systematisches Voting und klare Priorisierung.

Warum das funktioniert

Offene DiskussionLightning Decision Jam
Lauteste Stimme gewinntJede Stimme zählt gleich
Ideen gehen unterAlle Ideen werden dokumentiert
Endlose SchleifenKlarer Zeitrahmen
Vages „wir sollten..."Konkrete Action Items
Konsens-Suche blockiertDemokratisches Voting entscheidet

Das Geheimnis liegt in der Kombination aus stillem Brainstorming und demokratischem Voting. Alle Teilnehmer schreiben gleichzeitig ihre Ideen auf – kein Warten, bis man dran ist. Das Voting priorisiert ohne Diskussion. Die Effort/Impact-Matrix fokussiert auf umsetzbare Lösungen.

Der LDJ-Ablauf in 8 Schritten

Schritt 1: Problem-Sammlung (7 Minuten)

Jeder Teilnehmer schreibt Probleme, Herausforderungen oder Verbesserungspotenziale auf Post-its – ein Problem pro Zettel, so viele wie möglich. Keine Diskussion, nur stilles Schreiben.

Die Frage: „Was sind Probleme, Ärgernisse oder Hindernisse in unserem [Themenbereich]?"

Tipps:

  • Timer sichtbar für alle
  • Quantität vor Qualität
  • Konkret formulieren, nicht abstrakt
  • 3–5 Post-its pro Person als Ziel

Schritt 2: Problem-Präsentation (4 Minuten)

Jeder stellt kurz seine Post-its vor (max. 30 Sekunden pro Problem) und klebt sie an die Wand. Keine Diskussion, nur Klarstellungsfragen erlaubt.

Das Format: „Mein Problem ist [kurze Beschreibung]." – Fertig. Keine Erklärungen, keine Lösungsvorschläge.

Schritt 3: Problem-Voting (3 Minuten)

Jeder Teilnehmer erhält 3 Klebepunkte (Dots) und verteilt sie auf die Probleme, die am wichtigsten sind. Die Punkte können auf verschiedene Probleme verteilt oder auf ein einziges konzentriert werden.

Nach dem Voting: Die 1–3 Probleme mit den meisten Stimmen werden für die Lösungsphase ausgewählt.

Schritt 4: Probleme umformulieren (2 Minuten)

Die priorisierten Probleme werden als „How Might We"-Fragen (HMW) umformuliert. Diese Umformulierung öffnet den Raum für Lösungen.

Beispiel:

  • Problem: „Unsere Meetings sind zu lang und unfokussiert."
  • HMW: „Wie können wir unsere Meetings kürzer und fokussierter gestalten?"
Die HMW-Frage sollte weder zu eng (nur eine Lösung möglich) noch zu weit (alles passt) sein.

Schritt 5: Lösungen brainstormen (7 Minuten)

Jeder schreibt Lösungsideen für die HMW-Fragen auf Post-its – wieder still, wieder so viele wie möglich. Kreativität ist gefragt: verrückte Ideen, kleine Ideen, offensichtliche Ideen – alles ist erlaubt.

Tipps:

  • Eine Idee pro Post-it
  • Kurz und verständlich formulieren
  • Auch „unrealistische" Ideen aufschreiben
  • Auf Ideen anderer aufbauen (nach dem Vorstellen)

Schritt 6: Lösungen präsentieren (4 Minuten)

Alle Lösungs-Post-its werden vorgestellt und an die Wand geklebt. Wieder: keine Diskussion, nur kurze Erklärung.

Während der Präsentation können Teilnehmer gedanklich schon priorisieren.

Schritt 7: Lösungs-Voting (3 Minuten)

Jeder Teilnehmer erhält wieder 3 Klebepunkte und voted für die besten Lösungen. Die Top-Lösungen werden für die nächste Phase ausgewählt.

Schritt 8: Effort/Impact-Bewertung (8 Minuten)

Die gevoteten Lösungen werden auf einer Effort/Impact-Matrix platziert. Die X-Achse zeigt den Aufwand (niedrig bis hoch), die Y-Achse die erwartete Wirkung (niedrig bis hoch).


    Hoch │  „Big Bets"        │  „Quick Wins"
Impact   │  (hoher Impact,    │  (hoher Impact,
         │   hoher Effort)    │   niedriger Effort)
         │────────────────────┼────────────────────
         │  „Money Pit"       │  „Fill-ins"
    Niedrig  (niedriger Impact, │  (niedriger Impact,
         │   hoher Effort)    │   niedriger Effort)
         └────────────────────┴────────────────────
              Hoch                  Niedrig
                        Effort

Focus: Quick Wins (oben rechts) zuerst umsetzen. Big Bets für spätere Planung markieren. Money Pit vermeiden.

Schritt 9: Action Items definieren (5 Minuten)

Für die ausgewählten Lösungen: Wer macht was bis wann? Jede Lösung wird in einen konkreten nächsten Schritt übersetzt.

Das Format: „[Name] wird [konkrete Aktion] bis [Datum]."

Der LDJ in der Praxis

Ideale Team-Größe

4–8 Teilnehmer sind optimal. Weniger als 4 liefert zu wenig Diversität. Mehr als 8 macht die Präsentationsphasen zu lang.

Bei größeren Gruppen: Parallel-LDJs in mehreren Räumen, dann Ergebnisse zusammenführen.

Zeitbedarf

VarianteDauerSchritte
Express30 Min.Reduzierte Zeiten, 1 HMW
Standard45–60 Min.Vollständiger Prozess
Extended90 Min.Mehr Zeit für Brainstorming, 2–3 HMWs

Materialien

Physisch:

  • Post-its (verschiedene Farben für Probleme/Lösungen)
  • Stifte (dick genug, dass Post-its lesbar sind)
  • Klebepunkte für Voting
  • Timer (sichtbar für alle)
  • Große Wandfläche oder Whiteboards
Digital (für Remote):
  • Miro, Mural, FigJam oder ähnliche Whiteboard-Tools
  • Integrierte Timer- und Voting-Funktionen
  • Breakout-Rooms bei größeren Gruppen

Remote Lightning Decision Jam

Der LDJ funktioniert hervorragend remote – die strukturierte Natur des Formats übersetzt sich gut in digitale Tools. Manche Teams berichten sogar von besseren Ergebnissen remote, weil die stille Brainstorming-Phase natürlicher abläuft.

Setup für Remote-LDJ

  • Miro/Mural-Board vorbereiten mit vordefinierten Bereichen für Probleme, HMW, Lösungen, Effort/Impact-Matrix
  • Timer-Tool prominent platzieren (integriert oder separater Tab)
  • Video an: Gesichter sehen fördert Engagement
  • Chat für Fragen: Nicht für Diskussion, nur für Klarstellung
  • Anpassungen

    • Etwas mehr Zeit pro Phase (Technik-Overhead)
    • Explizitere Moderation (Wer ist dran? Was ist der nächste Schritt?)
    • Voting über Tool-Funktion (Dots in Miro/Mural)
    • Cursor-Ansicht aktivieren um zu sehen, wer wo arbeitet

    Wann LDJ einsetzen

    Der Lightning Decision Jam ist vielseitig einsetzbar – überall, wo ein Team Probleme lösen oder Entscheidungen treffen muss.

    Ideale Anwendungsfälle

    • Sprint-Retrospektiven: Probleme identifizieren und Verbesserungen planen
    • Projekt-Kickoffs: Herausforderungen früh erkennen und adressieren
    • Team-Probleme: Zwischenmenschliche oder prozessuale Issues angehen
    • Produkt-Feedback: Erkenntnisse in Action Items übersetzen
    • Quartals-Planung: Fokusthemen für das nächste Quartal identifizieren

    Weniger geeignet für

    • Komplexe strategische Entscheidungen (braucht mehr Zeit und Tiefe)
    • Technische Problemlösung (braucht Analyse, nicht nur Brainstorming)
    • Konfliktlösung (braucht Dialog, nicht Voting)

    Moderation: Der Schlüssel zum Erfolg

    Ein guter LDJ-Moderator hält den Prozess, nicht die Inhalte. Er achtet auf Zeit, erklärt die Schritte und sorgt dafür, dass alle beitragen.

    Moderations-Tipps

    • Energie halten: Der LDJ lebt vom Tempo. Nicht zu viel Pause zwischen Phasen.
    • Zeiten einhalten: Der Timer ist heilig. Wenn die Zeit um ist, ist die Zeit um.
    • Diskussion unterbinden: „Das können wir nach dem LDJ besprechen" – freundlich, aber bestimmt.
    • Alle einbeziehen: Introvertierte profitieren vom stillen Schreiben – das ist gewollt.
    • Neutral bleiben: Der Moderator votet nicht (oder zumindest nicht sichtbar).

    Häufige Moderationsfehler

    • Zu viel Zeit für Diskussion: Diskussion ist nicht Teil des LDJ.
    • Zu wenig Energie: Tempo ist wichtig – der LDJ ist „Lightning" aus gutem Grund.
    • Ergebnisse bewerten: Der Moderator kommentiert keine Ideen.
    • Schritte überspringen: Jeder Schritt hat seinen Zweck.

    Varianten und Erweiterungen

    LDJ mit Decider

    In manchen Varianten hat eine Person (der „Decider") Supervote-Rechte: Wenn die Stimmen verteilt sind, kann der Decider die finale Priorisierung beeinflussen. Nützlich, wenn Hierarchie oder Verantwortlichkeit eine Rolle spielt.

    LDJ für Positives

    Der Standard-LDJ startet mit Problemen. Variante: Mit „Was läuft gut?" starten und dann „Wie können wir mehr davon erreichen?" Gut für motivierte Teams, die aufbauen statt reparieren wollen.

    Serien-LDJ

    Komplexe Themen in mehreren LDJ-Sessions bearbeiten: Session 1 für Problem-Analyse, Session 2 für Lösungen, Session 3 für Implementierungsplanung.

    Die Wissenschaft hinter dem Format

    Der LDJ funktioniert, weil er mehrere psychologische Prinzipien nutzt:

    Stilles Brainstorming > Lautes Brainstorming

    Forschung zeigt: Beim stillen Schreiben entstehen mehr und diversere Ideen als beim klassischen Brainstorming, wo oft eine Person dominiert (Journal of Applied Psychology). Der LDJ nutzt dieses Prinzip konsequent.

    Voting > Konsens

    Konsens-Suche in Gruppen führt oft zu Kompromissen, die niemanden begeistern. Voting ist schneller und produziert klarere Priorisierung – auch wenn nicht alle einverstanden sind.

    Zeitdruck > Perfektion

    Die engen Timeboxes verhindern Über-Analyse. Manchmal ist eine „good enough"-Entscheidung besser als eine perfekte Entscheidung, die nie getroffen wird.

    Fazit: Struktur befreit

    Der Lightning Decision Jam ist nicht für jede Situation das richtige Format – aber für viele. Wenn ein Team in endlosen Diskussionen feststeckt, liefert der LDJ in 40 Minuten mehr als zwei Stunden unstrukturiertes Meeting.

    Das Wichtigste: Einmal ausprobieren. Der LDJ ist niedrigschwellig – Post-its und Timer reichen. Die Erfahrung, in unter einer Stunde von vagen Problemen zu konkreten Action Items zu kommen, überzeugt Teams schnell.

    Jonathan Courtney, Mitgründer von AJ&Smart, sagt: „Wir nutzen LDJ für alles – von der Bürogestaltung bis zur Workshop-Entwicklung." Die Vielseitigkeit ist der Clou: Einmal gelernt, immer einsetzbar.


    Kann ich den LDJ allein machen?

    Theoretisch ja, aber der Wert liegt in der Diversität der Perspektiven. Für Solo-Arbeit sind andere Techniken besser geeignet. Der LDJ braucht mindestens 3–4 Personen für sinnvolle Ergebnisse.

    Was, wenn das Voting keine klare Priorisierung ergibt?

    Bei Gleichstand: Kurze Diskussion (max. 2 Minuten) oder ein zweites Voting nur zwischen den Gleichständigen. Oder: Der Decider entscheidet.

    Wie gehe ich mit Teilnehmern um, die diskutieren wollen?

    Freundlich, aber bestimmt: „Das ist ein wichtiger Punkt – lass uns den nach dem LDJ besprechen. Jetzt schreiben wir erstmal." Die Struktur des LDJ erfordert Disziplin.

    Wie oft sollte ein Team LDJ machen?

    Bei Bedarf – wenn Probleme sich häufen oder Entscheidungen anstehen. Manche Teams machen wöchentlich kurze LDJs für kontinuierliche Verbesserung. Andere nutzen es monatlich oder quartalsweise.

    Kann ich den LDJ mit anderen Formaten kombinieren?

    Ja. LDJ funktioniert gut als Teil längerer Workshops – z.B. nach einer Stakeholder-Präsentation, um Feedback zu verarbeiten. Oder vor einem Design Sprint, um das Problem zu schärfen.


    Stand: Dezember 2025

    Quellen: AJ&Smart – Lightning Decision Jam Resources Atlassian – Meeting Productivity Report Journal of Applied Psychology – Group Brainstorming Studies SessionLab – LDJ Facilitation Guide